Doktoranden

Der World Jewish Congress als Vertretungsorgan der in der Diaspora lebenden Juden ist ein nicht-staatlicher Akteur. Dennoch verfügt er über weitreichende Befugnisse und umfassende Vertretungsmacht. Interessant ist hierbei nicht nur, wie und warum er diese Vertretungsmacht erlangt hat, sondern auch, wie er diese nutzt.

Besonders gut veranschaulichen lässt sich dies anhand eines konkreten Konfliktfalls: die Verhandlungen um die von Deutschland an Israel und die jüdische Bevölkerung in der Diaspora zu zahlende „Wiedergutmachung“. Den Entwicklungen in den 1950er Jahren ging eine Dekade voraus, in der vor allem der World Jewish Congress (WJC) mit seinem Institute of Jewish Affairs umfassendes Material sammelte und Rechtsgrundlagen entwickelte, um die Entrechtung und Vernichtung des europäischen Judentums nach dem Krieg ahnden und eine wirtschaftliche Lage schaffen zu können, die den Wiederaufbau jüdischen Lebens ermöglicht. Problematisch war dabei aber auch, dass an diesen Verhandlungen drei Akteure beteiligt waren. Deutschland als Anspruchsgegner auf der einen Seite und Israel und die Jewish Claims Conference (CC) auf der anderen Seite. Gleichzeitig nimmt in diesen Verhandlungen die CC eine Sonderrolle ein. Ihre Rechtspersönlichkeit ist zu diesem Zeitpunkt unklar; es handelt  sich um einen Zusammenschluss verschiedener jüdischer Interessenvertretungen (mit einem Präsidenten des WJC), hinter ihr steht kein Nationalstaat, der, so die klassische Völkerrechtsdoktrin, ein völkerrechtliches Abkommen legitimieren würde. Und dennoch: die CC erlangte durch die Verhandlungen um Entschädigungsansprüche die Vertretungs- und Verwaltungsmacht der Entschädigungsansprüche der Juden außerhalb Israels. Das Thema erlaubt nicht nur die Aufarbeitung eines (nach wie vor bestehenden) Streits um Vertretungsmacht, Assimilation und Zionismus und im Rahmen dessen vielleicht die Herausarbeitung eines Durchsetzungsnarrativs; es ermöglicht auch den Fokus auf eine konfliktäre Situation, bei der eine völkerrechtliche Lösung herausgearbeitet wurde: das Luxemburger Abkommen von 1952.

Die konkreten Fragen des Dissertationsvorhabens sind: Auf welche Weise wurden in den frühen 1940ern die Rechtsgrundlagen entwickelt? Welche „innerjüdischen“ Konflikte wurden ausgetragen und in welchem Modus? Wie reagierten die Bundesrepublik Deutschland und Israel auf den nicht-staatlichen Akteur? Lassen sich aus den Erkenntnissen Strategien der Konfliktregulierung in den internationalen Beziehungen und im Völkerrecht ausmachen?

Der sich im 19. Jahrhundert vollziehende sozio-ökonomische Wandel bedeutete für die deutschen Staaten einen Übergang zu lohnabhängiger Beschäftigung und die Herausbildung neuer Konfliktlinien in den Arbeitsbeziehungen. In den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende etablierten sich dann verschiedene Möglichkeiten für die Regulierung von Arbeitskonflikten einzelner Arbeitnehmer mit ihren Arbeitgebern.

Zentral waren die ab 1890 in vielen deutschen Städten eingeführten Gewerbegerichte und (ab 1904) Kaufmannsgerichte. Sie bemühten sich auf kommunaler Ebene um die Lösung von Arbeitskonflikten, mit einem Beamten als Vorsitzenden und mit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch gestellten Beisitzern. Ihr Ziel war es, schnell und kostengünstig eine gütliche Einigung der Streitparteien zu erreichen. Jedoch existierten Gewerbegerichte längst nicht in jeder Gemeinde. Zudem waren sie auch nicht für alle Berufsgruppen zuständig. Neben ihnen bestanden weitere Möglichkeiten der Konfliktlösung: Die ordentliche Gerichtsbarkeit in Form der Amtsgerichte, der Gemeindevorsteher als zuständige Institution, wenn kein Gewerbegericht existierte, Innungsschiedsgerichte für bestimmte lokale Handwerker sowie Rechtsauskunftstellen verschiedener Träger, die vor allem für die unteren Schichten hilfreich und wichtig waren.

Die Forschungsarbeit möchte deshalb danach fragen, wie individuelle Arbeitskonflikte im Kaiserreich reguliert und gelöst wurden: Welche Möglichkeiten bestanden für den einzelnen Arbeiter überhaupt und wie nutzte er diese? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gab es zwischen den verschiedenen Optionen? Welche Modi der Konfliktregulierung – Vergleich, Urteil, Klagerücknahme usw. – waren wie stark ausgeprägt? Die Arbeit stellt die Gewerbegerichte in den Mittelpunkt und untersucht dabei erstmals umfassend deren Rechtsprechung. Zudem soll den bislang nur wenig beachteten Konfliktlösungsmöglichkeiten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Damit wird eine Gesamtschau auf die potentielle und tatsächliche Lösung und Regulierung von individuellen Arbeitskonflikten im Deutschen Kaiserreich von 1890 bis 1918 angestrebt.

Das Forschungsvorhaben leistet einen Beitrag zum LOEWE-Schwerpunkt „Außergerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung“, indem verschiedene Formen der Konfliktregulierung – vor einem Gericht wie auch außerhalb eines solchen – betrachtet und die unterschiedlichen Modi der Streitbeilegung analysiert werden.

Als Berufungsinstanz bestand bis in das vorletzte Jahrhundert in England neben den zentralen Common Law-Gerichten (Court of King’s/Queen’s Bench, Court of Common Pleas, Court of Exchequer) auch der nach Equity entscheidende Court of Chancery. Mit den Judicature Acts der 1870er Jahre wurden diese Gerichte zu einem Höchstgericht, dem High Court of Justice, zusammengeschlossen. Das Promotionsvorhaben befaßt sich mit Hintergründen der englischen Common Law- und Equity-Gerichtsbarkeit und ihrer Reform im 19. Jahrhundert.

„Wann Unterthanen gegen ihre Landesherrschaft klagen“, schrieb Johann Jacob Moser in den 1730er Jahren, „ist es auch etwas gar gemeines, daß Deputirte von ihnen nacher Wien kommen.“^[1] Wie das Zitat zeigt, waren weder die Reise zu den Reichsgerichten noch die Klage gegen die eigene Herrschaft in der Frühen Neuzeit etwas Außergewöhnliches. Allein am Reichskammergericht, für das seit den Forschungen Filippo Ranieris^[2] statistisch fundierte Daten vorliegen, gründeten 6000-7000 der insgesamt rund 80.000 Prozesse in einer Klage von dörflichen Gemeinden, Gerichten oder Stadträten. Für den Reichshofrat kann man sogar mit noch höheren Zahlen rechnen. Die Anrufung des Kaisers war also, verbunden mit dem Rekurs auf vermeintlich alte und gesicherte Rechte, durchaus Teil der bäuerlichen Lebenswelt. Fast überall lässt sich dabei im Verlauf der oft jahre- oder jahrzehntelangen Prozesse auf Seiten der Untertanen ein Trend zur Einrichtung von teils dauerhaften Ausschüssen, zur Wahl von Deputierten und deren Entsendung nach Wien, Speyer oder Wetzlar und zur Professionalisierung, Alphabetisierung und Politisierung der am Prozessgeschehen beteiligten Dorfbevölkerung beobachten.

Aus diesen Zeilen wird schon deutlich: Bei Untertanenprozessen handelt es sich keineswegs um unerforschtes Gebiet, ganz im Gegenteil. Nach dem derzeitigen Stand des Teilprojekts „Untertanen vor Gericht“ beziehen sich rund 600 Publikationen darauf, meist nur mit einer kurzen Abhandlung oder Erwähnung, sehr oft aber auch in Form längerer Aufsätze oder umfangreicher Monografien. Das Ziel des Teilprojekts ist, diesen Wissensschatz entlang der für den LOEWE-Schwerpunkt relevanten Fragestellungen zu ordnen und zugänglich zu machen.

Dem Forschungsstand neu hinzufügen möchte das Projekt die Perspektive auf die erfolgreiche Konfliktlösung, nicht nur im Sinne des juristischen Fachbegriffs sondern auch im Sinn einer nachhaltigen Befriedung der jeweiligen Auseinandersetzung. Bisher wurden Untertanenprozesse von der Geschichtswissenschaft unter dem jeweiligen Blickwinkel ihrer unterschiedlichen Strömungen untersucht, zu nennen wären etwa, neben Landes- und Lokalgeschichte, verfassungsgeschichtliche Arbeiten, Sozialgeschichte, marxistische Forschung oder Untergebiete wie zum Beispiel die Revoltenforschung. Ihnen ist gemein, dass sie die Untertanenprozesse meist in den Rahmen einer übergreifenden Fragestellung einordnen, Konfliktverläufe oder Aspekte des Konfliktaustrags betrachten oder aber sich sehr konzentriert nur mit einer Region oder einem einzigen Prozess befassen. Eine Überblicksdarstellung, die noch dazu auf erfolgreiche Konfliktlösung hin zugespitzt wäre, fehlt bislang.

Unter welchen Bedingungen oder aufgrund welcher Entscheidungen kamen die oft langen Auseinandersetzungen zu einem Ende? Welche Rolle spielten zum Beispiel die soziale Herkunft und die Zahl der Akteure, deren Wissen und Zugang zum Rechtsweg, die Frage der Gerichtskosten? Weiter hat sich gezeigt, dass auch der Konfliktverlauf selbst die Entscheidungen von Untertanen und Obrigkeiten stark beeinflusste. Beide Parteien trugen ihre Streitsachen nicht nur vor Gericht aus, sondern griffen, oft gleichzeitig zu den Verfahren, auf ein vielfältiges Repertoire von teils zweckrationalen, teils traditionellen Formen des Konfliktaustrags zurück. Gemeinden entschlossen sich zur Verweigerung von Abgaben oder Diensten, protestierten öffentlich, suchten weitere Gemeinden oder die Öffentlichkeit in ihren Protest einzubinden oder verließen sogar zeitweilig das Territorium. Schultheißen wurden mit Rügebräuchen belegt. Herrschaften konnten mit Arrest oder Pfändung gegen „Rädelsführer“ der Bewegungen vorgehen. Beide Seiten griffen nicht zuletzt auch auf Gewalt zurück, um ihre jeweiligen Ansprüche durchzusetzen. Noch komplizierter werden Konfliktverläufe dadurch, dass die Gemeinden den Prozess selten einheitlich befürworteten oder unterstützten. Meist fand sich in den Dörfern auch die Partei der so genannten Ruhigen. Der Konflikt verlief dann nicht nur zwischen Untertanen und Obrigkeit sondern auch quer durch die Reihen der Dorfbewohner, was oft zu weiterer Polarisierung und zur Stabilisierung einer Prozesstradition im Dorf führte. Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle von Lehns- oder Pfandherren, die unter Berufung auf ihre Schutzfunktion in die Konflikte eingriffen und dabei fast immer eigene Ziele verfolgten. Ebenso häufig wurden sie aber auch, wie die Reichsgerichte, zu Initiatoren eines Vergleichs, der wohl chancenreichsten außergerichtlichen Möglichkeit einer Konfliktlösung. Sachlage und Rechtssituation waren also häufig sehr kompliziert.

Der gerichtliche Austrag bildete somit einen Strang in einem ganzen Bündel von Vorgängen, die sich gegenseitig beeinflussten. Das Teilprojekt „Untertanen vor Gericht“ hat sich daher auch zum Ziel gesetzt, charakteristische Wegmarken zu finden, an denen die Entscheidung hin zu gewaltsamem oder rechtlichem Austrag fiel, bzw. wenn beides gleichzeitig ablief, den Ausschlag zu verstärkter Aktivität vor Gericht gaben.

Vor dem Hintergrund der vor Ort oft komplizierten Konstellationen mag es fast unmöglich erscheinen, Gemeinsamkeiten zu finden. Ganz so verfahren ist die Situation allerdings nicht. Denn die Konfliktgegenstände ähnelten sich meist. Je nach Zeitraum bildeten Dienstpflicht, Steuererhebung oder Waldeigentumsfragen die Masse der Verfahrensgegenstände. Diese strukturierten wiederum die Auseinandersetzungen, indem sie einige Optionen nahelegten, andere dagegen ausschlossen.

Das Teilprojekt „Untertanen vor Gericht“ konzentriert sich in seiner jetzigen Phase auf den schon erwähnten umfangreichen Bestand an Literatur, um einer Lösung dieser Fragen näher zu kommen. Dreh und Angelpunkt bildet eine größtenteils schon erstellte und derzeit (Stand März 2013) 591 Titel starke Literaturdatenbank, die 251 größere Konflikte abbildet. Diese sollen, soweit wie es sich der Literatur entnehmen lässt, in ihren einzelnen Prozessen oder anderen Konfliktaustragspraktiken, das sind Gerichtsverfahren, Vergleichsverhandlungen, Verweigerungen oder die verschiedenen Formen des Protests und gewaltsamen Austrags, untersucht werden. Am Ende sollte sich zeigen, welche dieser Austragsmöglichkeiten schließlich den Ausschlag hin zu einer tatsächlichen Lösung, hinlänglichen Befriedung oder aber einer dauerhaften Unterdrückung des Konflikts gab. Derzeit sind 204 solcher Konfliktverläufe schon ausgewertet. Etwa ein Zehntel davon führte zu einem Ende der jeweiligen Auseinandersetzung.

Aus diesem Teilprojekt werden also zwei Ergebnisse hervorgehen: Eine auf Vollständigkeit angelegte und ausführlich erläuterte Bibliographie zu Untertanenkonflikten und –prozessen einerseits, andererseits ein Überblick über die aus der Literatur bekannten Untertanenprozesse und ein Einblick in die erfolgreichen vormodernen Konfliktlösungsstrategien.

^[1] Zitiert nach Werner Troßbach, Soziale Bewegung und politische Erfahrung. Bäuerlicher Protest in hessischen Territorien 1648 - 1806, Weingarten 1987, S. 211.

^[2] Filippo Ranieri, Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption. Eine rechts- und sozialgeschichtliche Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, 2 Teilbände Köln 1985.

Als eines der bekanntesten deutschen Kartelle seiner Zeit ist das I.G. Farbenindustrie AG Kartell Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Struktur, Geschäftspraktiken und der Einfluss von Synergien auf die wirtschaftliche Entwicklung und den technischen Fortschritt der Beteiligten sind viel diskutiert. Die Veröffentlichungen konzentrieren sich bislang auf technische Untersuchungen, und, soweit politische Entwicklungen thematisiert werden, hauptsächlich auf die Verknüpfung der I.G. Farbenindustrie AG mit dem nationalsozialistischen Regime unterschiedlichster Ausrichtung. (vgl. bspw. Peter Wolfram Schreiber, IG Farben Die unschuldigen Kriegsplaner, Verlag Neuer Weg, 2. Aufl. Düsseldorf 1987; Klaus Sator, Großkapital im Faschismus, z.B. IG-Farben, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt 1978; Joseph Borkin, Die unheilige Allianz der I.G. Farben, Frankfurt 1990 bzw. Gottfried Plumpe, Die I.G. Farbenindustrie AG Wirtschaft, Technik und Politik 1904-1945, Berlin 1990; Peter Hayes, Die Gleichschaltung of I.G. Farben, Diss. Yale University 1982; ders. Industry and Ideology: I.G. Farben in the Nazi Era, New York 1987) Hinzugetreten sind insbesondere in den letzten Jahren Studien über Zwangsarbeit. (Bernhard Lorentz/Paul Erker, Chemie und Politik, Die Geschichte der chemischen Werke Hüls 1938-1979, München 2003; Eghinhard Scharf, „Man machte mit uns, was man wollte“, Ausländische Zwangsarbeiter in Ludwigshafen am Rhein 1939-1945, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein, Heidelberg u.a. 2004; Valentina Maria Stefanski, Zwangsarbeit in Leverkusen, Polnische Jugendliche im I.G. Farbenwerk, Einzelveröffentlichungen des Deutschen-Historischen Instituts Warschau, Osnabrück 2000).

In der Literatur vollständig ungeklärt ist hingegen die Frage der spezifischen Streitschlichtungsmechanismen innerhalb des I.G. Farbenindustrie Kartells, also wie kartellinterne Streitigkeiten gelöst wurden, sowohl in prozessualer als auch materiellrechtlicher Hinsicht. Ob das Kartellgericht, Zivilgerichte oder private Schiedsgerichte für die Konfliktlösung zuständig waren, und auf welcher Grundlage und anhand welcher Verfahrensvorschriften die Entscheidungen getroffen wurden, sind Aspekte, die die Bearbeitung aufwerfen und diskutieren möchte.

Den zentralen Aspekt der Bearbeitung sollen Darstellung und Analyse einer Gruppe tatsächlicher Verfahren bilden. Deren Rechtsgrundlagen - also Kartellverträge und Schiedsklauseln - Akteure, Verfahrensregeln, Verfahrensgang und -ergebnis sollen dargestellt, auf gemeinsame Linien untersucht und mit Hilfe der einschlägigen Vorschriften bewertet werden.